18. Juli 2024 / lkm – Anfang Mai wurde der Süden Brasiliens von einer Flutkatastrophe heimgesucht. Auch die von der LKM unterstützten Projekte in Canoas und Moreira waren betroffen. Das Titelbild des Missionsblatts 8/9 2024 zeigt Pastor Altair (Pastor der „Schulen der Armen“ in Canoas), wie er bei einem Besuch nach der Flutkatastrophe Leilamar umarmt, eine Frau aus einer der Familien vom Projekt Sonnenstrahl. Das Team des Projekts versuchte im Juni, so viele Familien wie möglich zu besuchen, um zu sehen, wie es ihnen geht und was sie benötigen. Andrea Riemann schreibt: „Dies war das war das einzige Mal, dass ich ein Foto gemacht habe. Es steht für mich für die Wiedersehensfreude und den Dank, am Leben zu sein. Leilamar war nämlich mit ihrem Rettungsboot gekentert …“
Nach der Flut heißt es nun aufräumen, renovieren, zurückfinden in den Alltag.
Ein Bericht von Andrea Riemann (Moreira/Brasilien) aus dem Juni-Patenbrief für die Paten des Projekts Sonnenstrahl, hier mit aktualisierten Informationen.
An erster Stelle möchte ich im Namen der drei ,,Schulen der Armen“ ein großes DANKESCHÖN aussprechen für alle Gebete und die überwältigende Spendensumme nach der Flutkatastrophe. Inzwischen konnte ich mir selbst ein Bild der Situation vor Ort machen und so viele Menschen in die Arme schließen. Die wunderbare Nachricht ist, dass – so wie es aussieht – alle Familien vom Projekt Sonnenstrahl überlebt haben. Ein Grund, Gott zu danken und zu loben!
Eine weitere gute Nachricht ist, dass alle drei Schulen bereits wieder ihre Arbeit aufgenommen haben. Sie waren die ersten im Stadtviertel, die wieder mit dem Unterricht beginnen konnten. Zur Erinnerung: Insgesamt betreuen die Schulen rund 3.000 Schüler! Befindet man sich auf dem Schulgelände, könnte man glatt vergessen, was geschehen ist. Der Schulalltag ist so ,,normal“ wie eben gerade möglich, doch mit vielen Tränen, vielen Umarmungen, viel Zuhören, Wiedersehensfreude, Aufarbeiten …
Die Flutkatastrophe betraf sowohl alle Familien vom Projekt Sonnenstrahl als auch alle Schüler und ebenso 131 Mitarbeiter der Schulen.
Die meisten von ihnen haben alles verloren. Doch nun der Reihe nach – gute und auch nicht so gute Nachrichten, viele Informationen und die erste Meldung dazu, wofür die Nothilfe-Spenden eingesetzt werden!
REINIGUNG DER SCHULEN
Die erste Prognose vor einem Monat war noch gewesen, dass das Wasser ca. 60 Tage bleiben würde, bis es abfließt, doch dann wurden Pumpen eingesetzt, sodass die Zeit um über die Hälfte verringert werden konnte. Als dann am 20. 5. das Wasser auf dem Gelände der ersten Schule abgeflossen war (das Wasser hatte dort 3 m hoch gestanden) machte sich das Team der Schulen bereit und begann einen Tag später mit der Reinigung. Alles musste zuerst einmal mit einem professionellen Hochdruckreiniger abgesprüht werden, um die Schlammmassen herauszubekommen. Im Anschluss wurden Wände, Böden und Mobiliar vom Team der Schulen mit speziellen Reinigungsmitteln geputzt und danach von einer Firma professionell desinfiziert. Die zweite und dritte Schule konnte gut eine Woche später mit der Reinigung beginnen. Schritt konnte dort vom Schulteam selbst übernommen werden, da es zu dem Zeitpunkt schon wieder Wasser (aus der Leitung) gab.
SCHULDIREKTOR WALTAIR ERZÄHLT VON DER REINIGUNG DER DRITTEN SCHULE UND DAVON, WOHER ER HOFFNUNG SCHÖPFT:
Als wir das Schultor öffneten, mussten wir erst einmal sehr viel Holz und Müll beiseiteräumen, um überhaupt das Schulgelände betreten zu können.
Zuerst überkam mich nur Trauer. 35 Jahre Arbeit – alles unter rotem Schlamm begraben. Nirgendwo kann man sich hinsetzen, sich noch nicht einmal niederknieen, sondern nur zum Himmel schauen und Gott für das Leben danken! Dann die Frage: Was machen wir zuerst? Sowas hatte noch keiner von uns erlebt. Wir haben eine Wand geputzt und diese hat uns Licht geschenkt. Wir konnten die Farben der Schule sehen und bekamen Kraft und Hoffnung! Woher die Kraft? Gott hat sie uns geschenkt! Fortan reinigten wir jeden Raum genauso: Zuerst eine Wand, die Wand der Hoffnung!
In dieser Situation, einer Katastrophe, von der wir alle betroffen sind – die Schule, die Schüler und ihre Familien und wir Mitarbeiter – dadurch, dass hier alles überschwemmt wurde – das, was mir die Kraft geschenkt hat, um wieder anzufangen, aufzuräumen und für so viele Dinge Alternativen zu suchen, ist die Geschichte von Hiob: Hiob wurde reich gesegnet und lebte sein Leben, so wie wir normalerweise unser Leben leben. Wir können uns einen neuen Kühlschrank leisten und freuen uns darüber. Wir kaufen egal, was – und oft vergessen wir darüber das Wichtigste.
Gott hat Hiob alles genommen, inklusive seine Söhne. Und das gibt mir Kraft. Warum? Weil Gott ihn später doppelt so reich gesegnet hat. Und das Wichtigste: Hiob hat nie seinen Glauben an Gott verloren. Das ist es, was wir brauchen: Niemals den Glauben verlieren. Denn materielle Dinge können wir verlieren – das passiert und wir fangen wieder von vorne an. Aber den Glauben an Gott den Schöpfer zu verlieren, der uns alles schenkt, das darf nicht passieren.
Mein Glaube hat mir Hoffnung geschenkt und die Hoffnung macht, dass ich heute hier sitze und davon erzählen kann.
MEIN BESUCH IN CANOAS
Obwohl ich schon so viel über die Zerstörung in Canoas gehört und auch schon viele Bilder und Videos gesehen hatte, war das Bild, was sich mir bot und der dazugehörige Gestank unbeschreiblich. Genau 9 km sind es von dort, wo die Überschwemmungen begannen, bis hin zur dritten Schule und es gab keine Straße, auf der es schon ,,normal“ aussah. Slalomfahrt um Müllberge – so sieht die Realität aus. Kein Supermarkt geöffnet – ja eigentlich alles geschlossen, doch die Menschen sind größtenteils schon zurück in ihren Häusern. Manche haben sogar schon alles wieder ,,neu gemacht“. Aber auf den Straßen Müllberge, die nicht enden wollen. Ein Bild der Zerstörung überall. In den ersten Minuten dachte ich immer noch, dass es vielleicht später besser wird, wenn wir abgebogen sind – aber nein, alle Straßen sehen so aus.
Für alle Wege muss man das dreifache an Zeit einplanen und – es klingt komisch das sagen zu müssen, aber – vielerorts fällt es schwer, sich zu orientieren. Die meisten Straßenschilder sind weg und durch den ganzen Müll sehen alle Straßen gleich aus.
Die Stadt Canoas ist mit wenigen Fahrzeugen dabei, die Straßen wieder freizumachen, und wenn sie in dem Tempo fortfahren wie jetzt, dann sind sie auch Weihnachten noch nicht fertig. Hoffentlich ändert sich das noch.
ZUSTAND DER SCHULEN
Obwohl sehr viel von den Wassermassen zerstört wurde, ist die gute Nachricht: Die Statik ist okay und die Gebäude an sich haben keinen Schaden genommen. Im Moment sind noch viele Dinge improvisiert – an der ersten Schule dient z.B. die Kapelle als Sekretariat und Ort, um anzukommen.
Die Liste der Dinge, die erneuert werden müssen, ist lang. Es wird dauern und viel kosten, alles wieder in Ordnung zu bringen.
Die Anliegen werden nach Dringlichkeit bearbeitet. Es gibt viel zu tun. Die vorerst wichtigsten Anliegen sind diese:
Schule 1: Dr. Martinho Lutero
komplette Renovierung des
Sekretariats
Austausch der Wände und Türen der WCs
Austausch der Türen
neue Stromleitungen
Sowohl die Türen zu den Klassenräumen
als auch die Trennwände und Türen der WCs sind aus Holz und nun aufgequollen und nicht mehr schließbar.
Schule 2: Santa Cruz
Tische & Bänke und eine neue Decke im Speisesaal
eine neue Gefriertruhe
Computer
Renovierung des
Lehrerzimmers
Schule 3: São Mateus
Tische & Bänke im Speisesaal
Gefriertruhe
Decke in den Klassenräumen der Vorschule
Türen im Lehrer-WC
Tafeln, Fliesen, …
An allen drei Schulen sind Tische und Stühle kaputt gegangen. Das Metall ist rostig und das Holz aufgequollen. Nach und nach werden sie jetzt abgeschliffen, neu gestrichen und die Holzteile ausgewechselt.
SPENDENEINSATZ FÜR FAMILIEN VOM PROJEKT SONNENSTRAHL UND MITARBEITER
Dadurch, dass die Menschen im ganzen Überflutungsgebiet keinen Zugang zu Trinkwasser und Lebensmitteln haben, gibt es Verteilstationen der Stadt Canoas, wo sie sowohl Wasser als auch Lebensmittelpakete erhalten. Ebenso gibt es Organisationen, die sowohl Mittagessen als auch Kleidung und Decken verteilen. Im Moment sind die Familien des Projekts Sonnenstrahl also versorgt. Die Mitarbeiter der Schulen werden intensiv von den Schulen betreut. Allen betroffenen Familien steht außerdem eine staatliche Unterstützung von umgerechnet 1.000 Euro zur Verfügung, als Wiederaufbauhilfe ihrer Häuser bzw. um Einrichtung kaufen zu können. Weil dies so ist, beginnen wir erst einmal bei den Schulen und setzen die Nothilfe-Spenden in folgender Reihenfolge ein und berichten dann wieder:
- Wiederaufbau der Schulen
- Unterstützung der Familien des Projekts Sonnenstrahl
- Unterstützung der Mitarbeiter der Schulen, die alles verloren haben.
BESUCHE
Gemeinsam mit dem Schulpastor habe ich viele Hausbesuche bei den Familien vom Projekt Sonnenstrahl machen können.
Einige Familien sind noch nicht nach Canoas zurückgekehrt, andere sind weggezogen, doch viele konnten wir schon wieder in die Arme schließen (siehe Titelbild!) – welch ein besonderer Moment. Überall erkundigten wir uns, ob sie gut versorgt sind und da, wo etwas fehlte, brachten wir am nächsten Tag Wasser und Lebensmittel vorbei und kündigten allen unser erstes Treffen nach der Katastrophe an.
Nun ist es Mitte Juli und wir nehmen die Arbeit des Projekts Sonnenstrahl wieder normal auf. Beim ersten Treffen sprechen wir mit jeder einzelnen Familie und schauen genau, welche Dinge ihnen noch fehlen und bei wem ein Hausbau nötig ist.
VIELEN DANK für jede einzelne kleine oder große NOTHILFE-SPENDE, die – so wie die saubere Wand – Hoffnung schenkt und ermöglicht, dass die Schulen auch weiterhin Licht inmitten von so viel Dunkelheit sein und von Jesus Christus, dem Licht der Welt zeugen können!
Bitte erzählt fröhlich weiter von der wunderbaren Arbeit, die die Schulen leisten und ermutigt Freunde und Verwandte, mitzuhelfen, Hoffnung zu spenden! DANKE!!!
Es gibt noch viel zu tun und das Spendenkonto der Lutherischen Kirchenmission bleibt bestehen:
Spendenkonto:
DE09 2579 1635 0100 4239 00
Verwendungszweck:
NOTHILFE CANOAS
UND WIE STEHT ES IN MOREIRA?
Das Kinder- und Altenheim Moreira war selbst nicht schwer von den Fluten betroffen. Allerdings verloren einige Mitarbeiter ihr Hab und Gut. Die Spenden, die für Moreira eingegangen sind, werden dort also vorwiegend für die Hilfe an den Mitarbeitern verwendet. Einen Bericht darüber gibt es im nächsten Missionsblatt.
Wer zwischendurch über die Projekte in Moreira und Canoas informiert bleiben möche, kann unter Schrilli@gmx.net den Canoas-Patenbrief und unter
kontakt@isstrindade.org.br den Moreira-Infobrief anfordern.
Einige Fotos aus Canoas nach der Flut und von den Schulen: